Freitag, 17. März 2017

Cabaret

Von Cabaret kannte ich eigentlich nur ein oder zwei Melodien ("Willkommen, bienvenue, welcome"), auch nicht die Verfilmung des Stoffes. So konnte ich die Magdeburger Inszenierung sehen, ohne bereits vorher ein Bild im Kopf zu haben.


Die Handlung spielt sich im wesentlichen nur auf einer riesigen Showtreppe im Reichsparteitagsformat und in einem einzelnen Zimmer ab. Immer präsent: der androgyne Conferencier (Adrian Becker), der das Programm gleichsam kommentiert, dazu zwei Liebesgeschichten - die des Schriftsteller Clifford Bredshaw (Oliver Morschel) und der Tänzerin Sally Bowles (Anna Preckeler) und die der Zimmerwirtin Frau Schneider (Kammersängerin Undine Dreißig) und des jüdischen Obsthändlers Herrn Schulz (Peter Wittig). Alles könnte so schön sein (und dann wäre es wohl ganz einfach ein fröhliches Musical geworden), spielte es nicht in einer Zeit zwischen dem Vorabend von Hitlers Machtergreifung bis zum Beginn der Judenverfolgung, vom Ende der goldenen zwanziger Jahre bis kurz vor Beginn des Weltkrieges. Werden die Nazis anfangs noch karikiert, so ist die immer bedrohlicher werdende Stimmung später auch in der Show zu spüren. Erst nur subtil, beginnend auf der Verlobungsfeier von Frau Schneider und Herrn Schulz, bis dann plötzlich eine große Mehrheit mit Hakenkreuzen am Arm auf der Treppe steht: der Umschwung ist vollbracht. Als dann vor der Pause das Balett auf der Treppe tanzt, nimmt man erst allmählich wahr, dass da Soldaten in Feldgrau ein Hakenkreuz formen. Während der Vorhang fällt, ertönen Reden von Hitler. Der (verdiente) Pausen-Applaus setzt erst verzögert ein.

Zu diesem Zeitpunkt ist es für die anbfänglichen Vorstellungen von Sally Bowles ("Die Menschen sollen doch einfach leben können wie sie wollen") längst zu spät. Die Paare trennen sich. Große Hakenkreuzfahnen und ein Reichsadler hängen über der Reichsparteitagstreppe, "Kauft nicht bei Juden!" ist an deren Seite zu lesen. Das Musical endet zwar bereits vor dem schrecklichen Finale der Nazizeit, aber in den Gedanken der Zuschauer ist die Geschichte präsent und wird mitgedacht. Deshalb ist diese Aufführung in der Zeit eines immer stärker werdenden Populismus und den der Demokratie drohenden Gefahren wichtiger denn je.

Mit Cabaret ist dem Theater Magdeburg eine großartige, lebendige und farbenfrohe Inszenierung gelungen, mit einer beeindruckenden Ensembleleistung von Schauspielern, Opernchor und Opernkinderchor. Mitreißend und zugleich bedrückend. Sehenswert!

(Fotos: Theater Magdeburg)


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